Vielfältig,

das steht schon mal fest. Schauen wir uns etwas Zahlen an. Um die 70% leben und arbeiten, sofern sie Arbeit haben, in Städten. Knapp 90% schreiben und lesen Farsi. Es leben um die 80 Millionen Menschen im Iran. Entgegen der Zahlen der Staatsdoktrin sind es bloss 51% Perser. Weitere 24% sind Azeris. Azeris sind türkischsprachige, meistens sind es eigentlich Asarbaidschaner und die wohnen im Norden. Und die wiederum haben viele Untergruppierungen, von Täbris bis hoch an die Grenzen im Norden.

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Mit etwas über 8% Gilakis und Mauanderanis, 7% Kurden und um die 3% Araber finden wir weitere Völker im Iran. Je nach Auslegung finden sich 2% oder mehr Turkmenen, Luren und Belutschen ansässig.

Die Iraner pflegen einen „gesunden“ Patriotismus. Spürt man gerade sehr gut bei der aktuellen politischen Grosswetterlage.

99% sind Muslime, 90% davon Schiiten und 9% Suniten, letztere eher im Süden des Landes und oben bei den Kurden zu finden. Juden und Christen bilden den Rest. Es sind bloss 20% die dem Islamischen Glauben auch aktiv nachgehen. Der Rest scherrt sich nicht mehr um diesen Glauben, befolgt jedoch die Regeln. Weil sonst gibt’s Zoff.

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Ich habe auf meinem Instagram Kanal eine Antwort kürzlich veröffentlicht. Die Reaktionen war sehr durchmischt.  Ich beantworte auf eine der üblichen Fragen, was denkst du über den Iran. Ein schwarzes Bild vor der kleinen Filmsequenz soll meine Ansicht verdeutlichen. Der Iran ist ein Käfig. Einfach so ausreisen für Ferien oder Ausbildung, das ist bloss noch in paar wenige Länder möglich. Alles andere ist kaum mehr zu bewerktstelligen. Freiheiten wie wir sie kennen, sind schwierig zu leben, bis überhaupt nicht. Aber der Käfig hat sich in den Köpfen seit vierzig Jahren festgesetzt. Das ist das Hauptproblem. Daher auch meine Frage ob die Vögel, wären sie denn auch frei, fliegen könnten.

Eine Trennlinie finden wir nicht bei der Religion, sondern den sozialen Verhälntissen. Diese Linie ist krass. Stadt- und Landbevölkerung könnten nicht gegensätzlicher sein. Nehmen wir Teheran als Beispiel. Im Norden der Stadt finden wir die oberen Mittel- und Oberschichten ansässig und deren Lebensweise ähnelt sehr stark der westlichen. Aber nur im eigenen Haus. Unten, im Süden der Stadt finden wir ein paar Hippe Quartiere, ansonsten wohnen dort Taglöhner und ärmere Bevölkerungsschichten in Mietskasernen oder Slums. Drogen sind mittlerweilen ein grosses Problem. Man kann sie wie eine Pizza bestellen. Alkohol ebenfalls.

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Teheran ist ein eigener Kosmos im Iran und zieht die Landbevölkerung wie ein grosser Magnet an. Die Stadt kämpft mit grossen Problemen, sie wächst zu schnell. Teheran wurde von den Katscharen zum Regierungssitz erkoren, vorher war das ein unbedeutendes Dorf in der Pampas.

Die Bevölkerung ist zur Zeit sehr jung. Bloss 31 Jahre im Durchschnitt.

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Die Menschen hier sind unglaublich freundlich, sehr interessiert an allem aus dem Westen, laden Reisende ohne grosses Federlesen sofort nach Hause ein. Es sind ehrliche Gesten einer sehr alten Kultur und die haben sich bis heute und sogar bis nach Teheran erhalten. Man ist einfach hin und wieder bloss sprachlos.

Die Familie ist noch immer der Ankerpunkt im Leben der meisten Iraner und Iranerinnen. Und diese Familienbanden gehen sehr weit. Gerade jetzt, die Wirtschaft ist nun wirklich in einem tiefen Loch angekommen, müssen junge Leute bei den Eltern wohnen bleiben. Die Familien helfen sich aus bis auf den letzten Rial. Und je weniger einer hat, je mehr teilt er. Kennen wir auch aus westlichen Ländern.

Die IranerInnen sind in Gesprächen nicht sehr direkt. Das ist eine weitere Kulturfrage. Und man passt besser etwas auf , wenn man schlussendlich während Gesprächen in politische Belange abdriftet. Und das tut man immer.

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Wobei, die Klappe halten tu ich nicht. Ich formuliere die Punkte einfach etwas diplomatischer. Viele junge Iraner bedanken sich auch für diese direkten Ansichten. Ein doch sehr gebildetes junges Ehepaar sagte mir kürzlich, nach deinem Frontalangriff haben wir verstanden, wir sollten sofort auf den Punkt kommen und nicht lange auf orientalische Art und Weise um den heissen Brei reden. Ich musste allerdings erwidern, wir Schweizer sind kaum besser in dieser Sache. Bloss weniger blumig im Ausdruck. Aber rumdrucksen können wir dann aber auch sehr gut.

Es erstaunt die IranerInnen unglaublich wenn ich die Geschichte meiner Heimat etwas anders darstelle wie sie offiziel dargestellt wird. Wenn sie lernen, dass die offzielle Schweiz keineswegs so „sauber“ ist wie angenommen, nehmen sie das ungläubig zur Kentniss um anschliessend nachzufragen. Solche Ansichten lockern auch die Zungen der Iraner etwas. Und Zukunftsängste werden angesprochen und die unsägliche Lage mit der Staatsdoktrin ist dann auch gleich Thema.

Wir werden beherscht von alten Männern die den Sprung in eine modere Gesellschaft nicht schaffen und nicht schaffen wollen, weil sie die Macht verlieren.

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Ein iranischer Architekt mit US Pass, seit er 15 Jahre alt ist,  und mit langer und vor allem erfolgreicher Berufstätigkeit in den USA und dem Iran, hat mir folgendes gesagt:

„Das Problem hier sind nicht die paar Haifische im Becken, sondern tausende von Phiranias, die dich dauernd irgendwo piesacken. Die besten Pläne und Ideen für irgendetwas, können durchaus unten beim Pförtner scheitern, der dich nicht zum Chef durchlässt. Und den Iranern fehle eines, common sense“. Also gesunder Menschenverstand.

Dann sagt er mir, ich war mal in der DDR. Da hat auch fast jeder den anderen Nachbarn ausspioniert. Das hemmt unglaublich die Entwicklung der Bürger. Man schliesst sich ein, vertraut kaum jemanden. Das ist was die Mullas hier auch wollen und sie haben es geschafft.

Ich persönlich werde nie verstehen, warum um die Häuser so viel Müll liegt. Ich werde nie verstehen warum dermassen viele Feiertage nicht Feier- sondern Trauertage sind. Ich werde auch nie verstehen warum man in der Nacht ohne Licht auf der Autobahn in entgegengesetzter Richtung fährt. Und ich werde das auch nie verstehen wollen. Weil ich es nicht kann. Und umgekehrt wird es wohl auch so sein. Es ist oft eine Frage vom gesunden Menschenverstand. Da hatte er recht.

Und wenn so aufmerksam und so vielfältig  die Bevölkerung im ganzen Land auch ist, es fehlen mir die Frauen. Nicht in den Städten und in gebildeten Kreisen, sondern eben gerade in den anderen Kreisen, fern der grossen Zentren.

Männer, grossartige Männer, die uns bekochen, die uns an der Hand nehmen und uns ihr Land zeigen, die uns zum lachen bringen, alles gut. Aber wo sind die Frauen. Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist gewaltig. Und die Frauen sind keineswegs glücklich zu viert mit dem einen Mann verheiratet zu sein.

Und sind dann Frauen unter sich, in diesen abgelegenen Gegenden, sind sie wie Schwestern, obwohl sie sich erst seit zwei Stunden gesehen haben.

Es gäbe noch vieles zu schreiben, aber dafür reichen meine Fähigkeiten nicht aus. Aber festgehalten habe ich das hier. Und das wird wohl meine Einstellung zu den Iranern und Iranerinnen verdeutlichen. Bevor Kinder in die Zwangsjacken gesteckt werden, sind sie Kinder. Und Kinder sind das schönste was es gibt. Überall auf dem Planeten. Bis sie erzogen werden. Dann ist oft Schluss mit dem eigenen Leben.

Und die Frauen, tja, ohne die wären Länder wie der Iran schon längst eine Vollwüste. Davon mal später.

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